«Das Ziel ist ganz klar eine Medaille»

Bericht Urner Wochenblatt | Mittwoch, 23. Juni 2021 | von: Simon Gisler

Die letzten Jahre waren für Thomas Epp nicht einfach. Gleich zweimal musste sich die Nachwuchshoffnung der Ringerriege Schattdorf einer Schulteroperation unterziehen. 2019 kugelte er sich an der Schweizermeisterschaft im zweiten Kampf die Schulter aus. Ein Jahr zuvor musste er sich bereits an der anderen Schulter operieren lassen. «Wahrscheinlich zog ich mir die Verletzung an der U17- EM 2017 in Sarajevo zu», erzählt Thomas Epp. «Ich hatte danach immer Schmerzen. Ein MRI ergab dann schliesslich, dass das Labrum beschädigt war.»

Die beiden Schulterverletzungen haben Thomas Epp jeweils rund ein halbes Jahr zurückgeworfen. Inzwischen hat sich der 19-Jähri- ge aber wieder vollständig von sei- nen Verletzungen erholt, wie sei- ne diesjährigen Resultate an inter- nationalen Turnieren eindrucks- voll bestätigen. Sowohl beim U23-Seniorenturnier in Bulgarien Ende März als auch beim Junio- renturnier anfangs Juni im rumä- nischen Bukarest klassierte sich Thomas Epp im ausgezeichneten

3. Rang. Mit diesen beiden Topresultaten hat sich der 14-fache Schweizermeister, der seit 2015 dem Nationalkader angehört, für die Europameisterschaften der Junioren in Dortmund Ende Juni und die Weltmeisterschaften im August in Russland qualifiziert.

Thomas Epp hat seine Schulterverletzungen überwunden. An seiner letzten EM als Junior will der 19-Jährige von der Ringerriege Schattdorf seine erste Medaille holen. Foto Simon Gisler

Edelmetall im Visier

«Die beiden Turniere sind ganz klar mein Saisonhöhepunkt», sagt Thomas Epp. «Dass ich mich für die EM und die WM qualifizieren konnte, ist für mich nach all den Verletzungen auch eine Art Genugtuung.» An der EM in Dortmund, die am 28. Juni beginnt, wird der Flüeler im freien Stil in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm an den Start gehen. Zugelassen sind die Jahrgänge 2001 bis 2003. Für Thomas Epp wird Dortmund somit die letzte EM als Junior sein. Seine erste EM vor vier Jahren in Sarajevo beendete der damals 15-Jährige auf dem 5. Platz. In Dortmund soll es nun erstmals Edelmetall werden. «Das Ziel ist ganz klar eine Medaille», sagt Thomas Epp selbstbewusst und verweist auf das Turnier in Bukarest anfangs Juni, wo er im ersten Kampf den Sieg gegen den späteren Turniersieger aus Deutschland kurz vor Schluss noch aus den Händen gab. «Schlussendlich will ich nach jedem Kampf aber einfach sagen können, dass ich alles gegeben habe.»

Als grösste Konkurrenten im Kampf um die EM-Medaillen in seiner Gewichtsklasse erachtet Thomas Epp die Ringer aus traditionellen Ringernationen wie Armenien, Aserbaidschan, Georgien oder Russland. Wunschgegner hat er keinen: «Ich kann sicher mit allen mitringen. Und wenn man gewinnen will, dann muss man jeden schlagen können.»

Ein hoher Aufwand

Vor einem Jahr hat Thomas Epp seine Lehre als Sanitärinstallateur erfolgreich abgeschlossen. Seither arbeitet er nur noch rund 60 Prozent, um mehr trainieren zu können. Jede Woche absolviert er zwischen acht und neun Trainingseinheiten. Hinzu kommen regelmässige Trainingslager mit der Nationalmannschaft im Ausland. Anfangs Jahr weilte er zwei Wochen in Moldawien, im Februar in Aserbaidschan, im April in Polen, Mitte Mai erneut in Moldawien und als Vorbereitung auf die EM in Dortmund noch einmal eine Woche in Ungarn. «Wenn man bei den Junioren international vorne mit dabei sein will, dann muss man einen solch hohen Aufwand betreiben», erklärt der Freistilspezialist. Seine Altersgenossen in den ehemaligen Ostblockstaaten würden bereits jetzt wie Profis trainieren.

«Weil wir Schweizer ihnen technisch eher unterlegen sind, müssen wir schauen, dass wir ihnen zumindest punkto Physis und Ausdauer ebenbürtig sind. Und das kann man trainieren.»

Thomas Epp kommt aus einer ringerverrückten Familie. Sein Vater Bruno war bei den Aktiven insgesamt fünfmal Schweizermeister. Seine beiden Geschwister gehören ebenfalls der Ringerriege Schattdorf an. Einmal an den Olympischen Spielen teilnehmen und eine Medaille an Europameisterschaften oder Weltmeisterschaften gewinnen – davon träumt der Flüeler, seit er im Alter von vier Jahren mit dem Ringen angefangen hat. «Einfach der Zweikampf – Mann gegen Mann auf eine faire Art und Weise», antwortet der 19-Jährige auf die Frage, was ihn an seiner Sportart denn so fasziniert.

Spitzensport-RS in Magglingen

Seiner grossen Leidenschaft wird Thomas Epp auch in der Rekrutenschule nachgehen können. Aufgrund seiner Erfolge darf er im November die Spitzensport-RS in Magglingen absolvieren. Der Flüeler ist einer von insgesamt acht Ringern, welche die Aufnahmekriterien erfüllt haben. Welche Sportlerinnen und Sportler sonst noch in seinem Zug sein werden, weiss er noch nicht. «Leistungsmässig werde ich sicher stark profitieren können», ist Thomas Epp überzeugt. «Und auch von der Infrastruktur her. Das ganze Betreuerteam in Magglingen ist sehr gut.» Ein weiterer Vorteil: Absolventen der Spitzensport-RS können sich pro Jahr bis zu 130 Trainingstage als Diensttage anrechnen lassen.

«Ich werde trainieren können und meinen Lohn trotzdem erhalten», erklärt der 19-Jährige, der den vierfachen Weltmeister und Olympiasieger Jordan Burroughs aus den USA sein Vorbild nennt.

Hauptsache verletzungsfrei

Über die Zeit nach der Spitzensport-RS will sich Thomas Epp zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu viele Gedanken machen: «Das ist noch etwas zu weit weg.» Aktuell gilt sein ganzer Fokus der Junioren-EM in Dortmund, wo er seine erste EM-Medaille holen will. Langfristig wünscht sich der Nachwuchsringer vor allem eines – gesund zu bleiben: «Das Wichtigste ist, dass ich keine Verletzungen mehr habe, weil man durch eine Verletzung jedes Mal weit zurückgeworfen wird.»